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Das Dorfrecht

Am 1. November 1535 liessen „Vogt, Gericht und ganze Gemeinde zu Mumpf“ durch Hans Friedrich von Landeck, den Vogt und Pfandherrn der Herrschaft Rheinfelden, ihr altes Dorfrecht erneuern. Dieses Dorfrecht, das als wertvolle Urkunde heute noch im Archiv der Gemeinde aufbewahrt wird, ist das wichtigste Dokument zur alten Verfassungsgeschichte der Gemeinde. Es ist keine umfassende Gemeindeordnung im heutigen Sinne, sondern enthält nur einige Ordnungen, eben jene, die zur Zeit, als das Dorfrecht erstmals festgelegt wurde, beim damaligen Entwicklungsstand der Gemeinde am wichtigsten waren. Es wurde 1535 nicht erst neu aufgestellt, sondern nur von neuem niedergeschrieben als Abschrift einer älteren Ordnung, deren Urkunde, wie es in der Einleitung heisst, noch vorhanden, aber „altershalben presthaftig“ geworden, also beschädigt war. Die sehr bildhafte Sprache und die symbolreichen Bestimmungen lassen erkennen, dass die ursprüngliche Fassung des Dorfrechtes viel früher, spätestens im 14. Jahrhundert, erfolgte und 1535 ziemlich unverändert neu geschrieben und bestätigt wurde. Es vermittelt uns einen sehr plastischen Einblick in gewisse Bereiche der dörflichen Gemeinschaft des Mittelalters und der für sie wichtigsten Funktionen. Ihr wesentlicher Inhalt möge nachfolgend, zum Teil in sprachlicher Anlehnung an die anschaulichen Formulierungen ihrer Sätze, wiedergegeben werden.

Die Ordnung beginnt mit dem Beschrieb der Banngrenzen von Mumpf, beginnend am Rheinufer bei der „Rothenfluh“ gegenüber Wallbach, von wo die Grenze am rechtsrheinischen Ufer entlang bis zum Giessenspitz (der Mündung des Säckinger Giessens), verläfut. Von da über den Rhein hinüber und am Hang des Mumpfer Berges hochsteigend entspricht der weitere Verlauf der Grenze ziemlich genau der heutigen Abgrenzung des Bannes gegenüber Stein, Obermumpf, Zuzgen und Zeiningen bis zum Mettelgraben, von wo die Grenze geradeaus nach Wallbach zum Rhein und über diesen hinüber wieder zur Rothenfluh geht. Bemerkenswert ist, dass der ganze Rhein zum Bann gehört und die Grenze am rechten Ufer entlang verläuft. Die heutige im Rhein verlaufende Grenze ist erst durch den aargauisch-badischen Staatsvertrag von 1808, der den Talweg des Rheins als Landesgrenze zwischen Baden und dem Kanton Aargau bestimmte, festgelegt worden. Ebenso umfasste der Bann im Westen einen grösseren Bezirk. Dorf verlief die Grenze vom Mettelgraben bis zur Rothenfluh am Rhein mitten durch die heutige Siedlung von Wallbach und bezog wahrscheinlich den älteren Siedlungskern von Wallbach noch mit ein. Anschliessend folgt die Bestimmung, dass die Banngrenze alle drei Jahre „mit alten und jungen Leuten“ umgangen und die Marksteine besichtigt werden sollen, damit sie im Gedächtnis haften bleiben.
 
Im weiteren Abschnitt behandelt das Dorfrecht die herrschaftlichen Verhältnisse und besagt zunächst, dass die Herrschaft Rheinfelden in Mumpf die hohe und niedere Gerichtsbarkeit besitze. Sehr ausführlich werden sodann die Rechte und Pflichten des Pfarrers als Inhaber der Bodenzinse und der Fallgerechtigkeit über die dreissig Schupposen behandelt, womit die Wichtigkeit der grundherrlichen Stellung des Pfarerrs im Dorf auch hier hervorgehoben ist.
 
Als nächstes werden die Wirte mit ihren besonderen Pflichten der Dorfgemeinschaft gegenüber angeführt. Das Dorfrecht spricht von „den Wirten“ in der Mehrzahl und deutet damit an, dass zur Zeit seiner Abfassung bereits zwei Wirtschaften, die „obere“ und die „untere Herberge“ (Sonne und Glocke) bestanden. „Es sollen die Wirte Wein und Brot und anderen freyen Kauf geben, wie man es oben und unten (in der Landschaft) gibt“. Wenn sie sich nicht daran halten, sollen sie von der Herrschaft bestraft werden. Es folgt eine weitere Bestimmung in sehr bildhafter Sprache: „Wär auch, dass ein Kindtpetterin die sechs Wochen us, die sie in der Kindtpett ligt, Wein und Brots von einem Wirt begerte und darnach schicken wurde, das soll er ihren zu geben schuldig sein und nit versagen by dryen Pfunden Straf; und wenn aber die sechs Wochen uskomend und der Wirt sollichs Weins und Brots nit bezalt wäre, so mag er dargan und das Bett, daruf sie ligt, by einem Zopf nehmen und sie darab schütten one Widerred und das mir Recht angriffen und das nach desselben Rechten ufrüefen und verkaufen“. Der Wirt kann also durch eine rechtssymbolische Handlung sein Recht auf Bezahlung verlangen, indem er das Bett der Kindbetterin nach Ablauf der Zeit der Niederkunft „by einem Zopf“ nimmt und „sie darab schüttelt“ und das Bett als Pfand nimmt und versteigert.
 
Gleich den Wirtschaften ist die Fronmühle eine wichtige, der Gemeinschaft dienende Einrichtung. „Item sie haben auch ein Fronmüli, darin soll man haben das alt Mäss, und wann er malet, so soll er von eiem Mütt dürren nehmen ein Ymi (ca. 6 Liter) und von drü Vierteilen grüens auch ein Ymi, und käme ein Heimscher und welte malen und aber ein Frembder auf der Müli wäre, sobald dann der gemalen hett, so soll er dannzemal keinem Frembden vor dem Heimschen ufschütten oder malen.“ Als Mass in der Mühle gilt also das alte (Säckinger) Mass und von jedem Mut (86 Liter nach Säckinger Mass) ausgetrockneter Fruckt darf der Müller ein Ymi für seinen Lohn nehmen und von 3 Viertel grüner Frucht auch ein Ymi. Die Einheimischen muss der Müller vor den Fremden beim Mahlen bedienen.
 
Als ein der Gemeinde zustehendes Recht wird schon in der Dorfordnung die Fähre erwähnt. „Item sie haben auch ein recht Fahr zu Mumpf uf dem Rein, da man die Lüt überfüeren mag, da sollen die Fergen ein jegliche Person, so da überfahren will, überfüeren umb einen Stebler (Pfennig).“ Der Pfarrer, der ja in Säckingen wohnte, bezahlte für die Fährebenutzung eine jährliche Pauschale, die im 18. Jahrhundert 6 Gulden 36 Kreuzer betrug.
 
Die Appellation von einem Urteil des Dorfgerichts ging an das aus acht Mann bestehende Achtergericht der Herrschaft Rheinfelden, von da in dritter Instanz an die vorderösterreichische Regierung.
 
Eine dem Schutz der angebauten Felder vor weidendem Vieh dienende Bestimmung besagte: Wer auf seinem Feld ein „schädlich Vieh“ findet, der mag es heimführen und „von einer Vesper zur anderen“, also einen Tag lang, bei sich behalten. Wird es bis dann vom Eigentümer nicht ausgelöst, soll es dem Vogt übergeben werden. Dieser hat einen Pferch zu halten, in welchem solch gepfändetes Vieh eingestellt werden soll, bis es ausgelöst oder versteigert wird.
 
Das sind die wenigen, aber für die damalige Dorfgemeinschaft wichtigen Ordnungen, die in ihrer plastischen Sprache sich dem Volke einprägten. Sie betreffen die herrschaftlichen Gewalten im Dorf, die Gerichtshoheit der Landesherrschaft und die grundherrschaftliche Stellung des Pfarrers, den Instanzenzug des Gerichts, die Fähre als Recht der Gemeinde und die wichtisten Pflichten der Gemeinschaft gegenüber. Solche haben der Pfarrer mit der Haltung von Farren und Eber, der Müller, der für die Dorfleute zu mahlen verpflichtet ist, und die Wirte, die verpflichtet sind, Wein und Verpflegung zu verabreichen und den Kindbetterinnen im Dorf auch Wein und Nahrung auf Kredit während der Zeit der Niederkunft geben müssen.